Affäre James Damore
Die Fima Google schmeißt ihren Entwickler James Damore wegen eines firmeninternen Memorandums zur Geschlechterdifferenz raus.
Die beste Zusammenfassung der Ereignisse liefert Don Alphonso:
- Ein Superbrainy heuert nach der Uni bei Google an, erlebt dort das lockere Flair, die Meetings, den Funkenflug der technischen Ideen. Beispielsweise sind Mittschnitte sämtlicher Meetings beliebig abrufbar.
- Er wechselt aufwärts ins mittlere Management, also von der Technik zum Personalmanagement. Hier erlebt er Meetings zu Gender-Themen. Diese sind strikt geheim. Es gibt keine Mitschnitte.
- Er stellt das Memo „Googleʼs Ideological Echo Chamber“ ins Intranet. Das Memo findet den Weg in die Öffentlichkeit; Gizmodo publiziert eine entstellte Fassung.
- Google feuert Damore.
Zusammengefasst steht drin:
- Googles politisches Streben setzt Schutz vor Herabsetzung gleich mit psychological safety (ein Fachwort bei Google, bedeutet Ideenfreiheit ohne Furcht vor Schimpfe). „Psychological safety is a belief that one will not be punished or humiliated for speaking up with ideas, questions, concerns or mistakes.“ Allerdings ist Mundtotmachen das Gegenteil von psychological safety.
- Das Mundtotmachen führt zu einer Informationsblase, innerhalb derer einige Ideen als sakrosankt nicht ernsthaft diskutiert werden.
- Das Ausbleiben von Diskussion fördet extreme und autoritäre Elemente dieser Ideologie.
- Unterschiedliche Eigenschaften der Geschlechter können zum Teil erklären, warum im Technobereich die Geschlechter nicht zu gleichen Teilen vertreten sind.
- Diskriminierung, um Gleichverteilung der Geschlechter zu erreichen, ist unfair, polarisierend und schlecht fürs Geschäft.
Im Interview mit Cathy Young sagt er aus, dass Kollegen in Führungsposition, etwa Abteilungs- oder Teamleiter, zu Diversity angehalten werden – also zu möglichst gleichem Anteil von Geschlechtern oder Ethnien innerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs. Den Führungsleuten bleibt dabei nur eine „gewaltsame“ Möglichkeit, etwa Frauen bei nicht überzeugendem Bewerbungsgespräch eine zweite Chance einzuräumen, bei Männern aber nicht; oder Frauen bei Leistungsbewertung mit versteckten Boni aufzuwerten.
Die vollständige deutsche Übersetzung bei den Ruhrbaronen belegt die neutrale und sachliche Argumentation von Damore.
Damore belegt anhand verfügbarer Untersuchungen detailliert und quantifiziert spezifische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Er legt überzeugend dar, dass bestehende Unterschiede nicht aus Diskriminierung oder sozialer Benachteiligung folgen, sondern überwiegend naturgegeben sind, und kritisiert einen „Ausgleich durch Bevorzugung“ als schädlich. In einem anderen Interview bei ZeroHedge sagt er ausdrücklich: potentiell illegal.
Im Schlussteil schlägt Damore Verbesserungen im Bereich Human Resources vor.
Werdegang von Google
Die Weltmarktführerschaft von Google im Geschäftsbereich „Globales Informationsmangement“, oder pejorativ „Datenkrake“, beruht auf echter technischer Kompetenz. Darin ist der Laden allen anderen haushoch überlegen – im Gegensatz zu Office-Marktführerschaft von Microsoft, deren gesamte Kompetenz auf das Marketing konzentriert ist. (Deren Programmierer rollen bei MS nur durch auf der Suche nach vernünftiger Arbeit.)
Nachdem ich – um 2000 rum – die zufällig gefundene Suchmaschine dem Kollegen Wolfgang empfohlen hatte, beglückwünschte dieser mich für den „besten Rat, den ich ihm je gegeben habe“. Kurz zuvor war durch die Zeitung gegangen, dass Altavista ein halbes Jahr lang seine Datenbank nicht gepflegt hatte.
Die ursprünglich werbefreie, mit reinem Risikokapital finanzierte Suchseite erwirtschaftete durch Verkauf von gesponserten Suchtreffern und Support enormes Geld, mit dem sich Google in anderen Branchen ausbreitete (am bekanntesten ist wohl das selbstfahrende Google Car) und Nebengeschäfte aneignete, etwa Energieversorgung.
Die Ausgründung des Mutterkonzerns Alphabet ermöglicht den einzelnen Teilprojekten – nun als Tochterunternehmen – die Konzentration auf ihren jeweiligen Kernbereich.
Googles Attraktivität
Die Arbeitsumgebung für die Kollegen in der Entwicklung qualifiziert Google zum Wunsch-Arbeitgeber für Nerds. Der oben erwähnte Funkenflug der Ideen wird nicht gebremst durch rigide Finanz- oder Geschäftspolitik. Er ist das Element, das den Spaß in den Beruf bringt – und die Produktivität.
Das augenscheinliche Geheimprojekt „Gender Diversity“ überrascht angesichts der sonstigen Professionalität des Unternehmens: in strikt vertraulichem Meeting vergattert HR die Teamleiter zu selektivem, also unfairem, Umgang. Die Meetings sind diskret, und die Meetings sind verbindlich. Diese Firmenpolitik ist unter den Mitarbeitern durchaus umstritten. Befürworter finden sich eher unter den Teilnehmern der Geheimsitzungen.
Google strebt also maximale Diversity in ihren Abteilungen an unter offensichtlicher Ignoranz sozialpsychologischen Wissensstandes. Was treibt eine – technisch außerordentlich kompetente – Firma zu derart kontraproduktivem Verhalten? Ein Experiment?
Insbesondere bemerkenswert ist die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Bezüge in Damores Memo allesamt einer Überprüfung zugänglich sind. Angenommen, es fänden sich Fehler oder Missverständnisse darin: Googles Wissensfundus hätte locker gereicht, ihm dieselben um die Ohren zu schlagen.
Googles Ausstieg
Dass anstelle Diskussion die Kündigung erfolgte, weist auf Googles Ausstieg aus der Wissenschaft hin – die all die Zeit eigentlich ihr Geschäftsmodell und ihre USP war.
Das überrascht wirklich. Aber – Metapher: der Untergang der Dinos bedeutete den Aufstieg der Säuger – die Welt wird einen Nachfolger für Google finden. Hoffentlich einen würdigen.
Mittwoch, den 16. August 2017, um 13 Uhr 01
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